Wie alles im Leben bringt hybride Arbeit Licht und Schatten mit sich. Die amerikanische Professorin für Management Martine Haas fasst die Bereiche, in denen Herausforderungen auftreten können, mit den 5Cs zusammen: Coordination, Culture, Creativity, Communication, und Connection.

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Widmen wir uns zuerst den Hürden im Kontext der Koordination. Welche Probleme können hier in hybriden Arbeitsmodellen oder bei der Remote Work auftreten? Und wie können wir diese lösen?

Herausforderung 1: Ich dachte, du erledigst das?

Laut einer Gallup-Umfrage aus dem Jahr 2021 startet fast die Hälfte aller Mitarbeitenden in den USA mit einer unklaren Vorstellung ihrer aktuellen Aufgaben in den Tag. Im Büro kann man sich mal schnell am Korridor updaten oder über den Schreibtisch hinweg austauschen. Das schafft „implizite Verantwortung“, das heißt, es ist automatisch klarer, wer sich gerade wofür verantwortlich fühlt.

Besonders in remote oder hybriden Teams kann allerdings Verwirrung herrschen: Wer arbeitet an welchem Task? Mit welchen Schwierigkeiten kämpft mein Mitarbeiter? Welche Fortschritte hat meine Kollegin gemacht? Hybride Arbeit erfordert ein deutlich höheres Maß an expliziter Kommunikation und Dokumentation. Fehlt diese Klarheit, dann versuchen Mitarbeitende oft, diese Informationslücken selbst zu füllen. „Das wird meine Chefin vermutlich gemeint haben,“ denken sie, oder: „Diese Deadline wird für das Team schon passen.“ Virtuelle Whiteboards nach der Kanban-Logik können hier Abhilfe schaffen, ebenso wie Daily Check-Ins von nicht mehr als 10 Minuten.

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Foto © Luis Cortes auf Unsplash

Herausforderung 2: Zwischen Kalifornien und Hamburg

Heutzutage sind viele remote Teams auch auf mehrere Länder oder sogar Kontinente verteilt. Manche Vorhersagen gehen sogar davon aus, dass 2023 das Jahr des dezentralen Unternehmens wird und ganz explizit nach unterschiedlichen Zeitzonen rekrutiert wird.

Oft arbeiten Mitarbeitende in verschiedenen Zeitzonen an demselben Projekt. So kann es passieren, dass Avi in Kalifornien um 20:00 Uhr einen Video-Call entgegennehmen muss, obwohl zu der Zeit eigentlich seine Lieblingsserie läuft. Oder, dass Lilly in Hamburg sich noch vor dem Frühstück im Arbeits-Chat einloggen muss, um nur ja keine wichtigen Updates zu verpassen.

Lösungsansatz 1: Check in, don’t check up

Besonders Führungskräfte in der remote oder hybriden Welt stehen vor dem Dilemma: Vertrauen versus Leistungs- und Performancekontrolle. Die Forschung unterscheidet zwischen negativer Freiheit, also frei von Zwängen zu sein, und positiver Freiheit, also der Möglichkeit, sein Schicksal selbst zu gestalten. Viele Organisationsmodelle neigen dazu, diese beiden Arten von Freiheit einzuschränken, durch Regeln, Vorgaben, Struktur und Kategorisierung. Um dem entgegenzuwirken, reicht oft schon “begrenzte Flexibilität”, also die Freiheit innerhalb eines bestimmten Rahmens agieren zu können.

Dieter Frey, Psychologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München, spricht in diesem Kontext von Verfahrensgerechtigkeit. Das Konzept besagt, dass Kriterien für angestrebte Ergebnisse sowie für den Prozess, mit dem diese Ergebnisse erreicht werden sollen, nachvollziehbar und miteinander verhandelt sein müssen. Das Motto ist: Check in, don’t check up. Wie können Teams diese Transparenz herstellen? Am besten gelingt das im Dialog, mithilfe folgender Fragen:

Wie oft sollten wir miteinander sprechen pro Woche, damit es sich für dich nicht nach Micromanagement anfühlt, und ich dennoch weiß, woran du arbeitest und so auch sprachfähig nach oben bin?
Wann sprechen wir das nächste Mal?
Wie stellen wir sicher, dass jeder die richtigen Informationen zur richtigen Zeit hat?

Schon in der Zielsetzung sollten Führungskräfte klar sein. Wie die amerikanische Professorin und Autorin Brene Brown sagt: Clear is kind, unclear is unkind. Leaders sollten klar kommunizieren, was sie erwarten: Was ist unsere Definition of Done? Was ist großartig, was ist gut genug? Außerdem muss klar sein, bis wann eine Aufgabe erledigt sein sollte, und welche Unterstützung Mitarbeiter*innen sich erwarten.

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Fotos © Helena Lopes / Surface / Anna Tarazevich

Lösungsansatz 2: Kluge zeitliche Planung

Der heutige Arbeitsalltag ist oft gezeichnet von Unterbrechungen, von unzähligen Meetings und Terminen. So bleiben Aufgaben liegen, bis sie so dringend sind, dass Mitarbeitende abends länger oder sogar am Wochenende arbeiten, um das Pensum zu schaffen.

Leslie Perlow, eine Expertin für Arbeitszeit an der Harvard Business School, schlägt vor, die Arbeitszeit in drei Kategorien einzuteilen: Ruhezeit, Zeit für Zusammenarbeit, und Lieblingsfreizeit. Ruhezeit ist Zeit frei von E-Mails, Meetings und anderen Unterbrechungen. Hier leisten Menschen ihre beste analytische und kreative Arbeit. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass es hilfreich ist, Meetings und gemeinsames Brainstorming auf Nachmittage zu beschränken, sodass Mitarbeitende am Vormittag Zeit für Deep Work haben. Aber auch hier ist Individualität und ein transparenter Austausch im Team wichtig.

Außerdem ist es laut Perlow entscheidend, dass Mitarbeitende sich bewusst freie Zeiten wählen und diese auch im Team zu kommunizieren. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass man am späten Dienstagnachmittag nicht arbeitet.

Arbeiten Mitarbeitende in unterschiedlichen Zeitzonen, dann erfordert dies einiges an cleverer Planung. Das amerikanische Software-Unternehmen Basecamp erstreckt sich über vier Städte und acht Zeitzonen. Mitarbeitende in Dänemark und Utah sind acht Stunden voneinander entfernt. Dadurch haben Mitarbeitende automatisch mehr Zeit für sich, weil kontinentübergreifende Meetings aufgrund der Zeitdifferenz unmöglich sind. Die Hälfte des Arbeitstages kann für genau diese Zusammenarbeit genutzt werden. Um die Planung zu erleichtern, sollten alle ihre Kalender up-to-date halten. Außerdem sollten Meetings ausführlich protokolliert oder bei Zustimmung auch aufgenommen werden, damit Abwesende Zugriff auf alle Informationen haben.

In a Nutshell: Wie verbessert man die Koordination bei hybrider Arbeit?

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