Coordination, Culture, Creativity, Communication, und Connection. Das sind die 5Cs, die die Management-Professorin Martine Haas als entscheidende Hürden für hybride Arbeit identifiziert hat:
Wo hybrid oder remote gearbeitet wird, muss die Organisationskultur stimmen. Was sind die häufigsten Probleme? Und wie kann man sie lösen?
Herausforderung 1: Out of touch, out of sight, out of mind
Unser Denkfehler: Wir setzen Zweck und Standort gleich. In der Vergangenheit signalisierten Unternehmen ihre Kultur unter anderem durch die Gestaltung der Büros und die physischen Interaktionen im Office – von offenen Büroräumen über Tischtennisplatten hin zu traditionellen Büros mit Holzvertäfelungen und Ledersesseln war alles Träger der Kultur.
Wenn sie am selben Ort sind, vermitteln Führungskräfte auch implizit Kultur, indem sie Verhaltensweisen und Werte in Anwesenheit ihrer Mitarbeiter modellieren und vorleben.
Die auf persönlichen Interaktionen fußende Kultur, die Führungskräfte gewöhnt waren, ähnelte der Theaterkultur: Wir sind alle am selben Ort. Die Führungskraft kommt in einen Raum und kann ihre oder seine Körperlichkeit nutzen, um all diese Dinge zu vermitteln.
Im Gegensatz dazu ähneln hybrides Arbeiten und Remote Work eher der Welt des Fernsehens: Ich muss sehr explizit, sehr klar und sehr verbunden mit meiner verbalen Kommunikation sein, da dies häufig der einzige Weg ist, um Kultur in schlecht beleuchteten, zweidimensionalen Zoom Bildchen zu transportieren. In der Fernsehkultur der heutigen Arbeitswelt passiert es schnell, dass man außer Sichtweite, nicht synchron oder beim Sprechen über Purpose abgehoben wirkt.
Herausforderung 2: Leistung ist weniger sichtbar
Hybrides Arbeiten und Remote Work machen es einfacher, unfair zu sein. Der Stanford-Psychologe Nicholas Bloom führte eine Feldstudie zu Beförderungen durch. In dieser Studie wurden die Mitarbeitenden zufällig in zwei Gruppen eingeteilt: sie arbeiteten von zu Hause oder vor Ort. Nach 21 Monaten hatten die Leute, die von zu Hause aus arbeiteten, eine um 50% niedrigere Beförderungsquote. Dies wird auch als Proximity Bias bezeichnet: Führungskräfte tendieren dazu Mitarbeitende, die sich in ihrer Nähe befinden, vorzuziehen.
Wir haben immer noch diese Illusion: Wenn wir Menschen direkt vor unseren Augen arbeiten sehen, glauben wir, dass sie hart arbeiten und einen guten Job machen. Das gilt sogar, wenn Mitarbeiter*innen einen schlechten Arbeitstag im Büro haben. Die Führungskraft sieht den oder die Mitarbeiter:in und denkt: „Ich sehe, dass sie kämpft, aber sie ist hier und arbeitet hart."
Wenn die Arbeit aus der Ferne erledigt wird, sieht dieselbe Führungskraft eher nur das fertige Produkt, nicht den Aufwand, der erforderlich war, um dorthin zu gelangen.
Wenn mehr Frauen als Männer ihre Angebote von Flexibilität und Remote-Arbeit in Anspruch nehmen, können Frauen immer noch Einbußen in Form von weniger Aufstiegschancen haben. Viele Mitarbeitende beginnen das zu erkennen. Laut einer Studie aus dem Jahr 2022 glaubt ein Großteil der Befragten weiterhin, dass das Arbeiten aus der Ferne ihre Aufstiegschancen beeinträchtigen würde (Quelle: Barrero et al. 2022).
Wir müssen uns also unserer Vorurteile bewusst werden. Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass unsere Wahrnehmung von Performance und Kulturaufbau oft mit einem bestimmten Ort verbunden ist. Wir alle brauchen eine Denkweise der Ortlosigkeit oder ein „Placelessness“ Mindset. Setzen Sie auf Standortunabhängigkeit statt physischer Präsenz.
Wir müssen verstehen, dass es nicht um den Ort geht, sondern um die Bedeutung, die von den Aktivitäten ausgeht, die wir tun, und dem Gefühl, das wir dabei haben. Es ist diese gemeinsame Sache, die von allen im Unternehmen geteilt wird, und das Gefühl während der Arbeit, das den "Ort" der Arbeit schafft.
Aber wie schafft man eine attraktive Kultur, wenn Mitarbeitende immer seltener vor Ort sind, um die Kultur zu erleben? Und wie stellen wir sicher, dass Mitarbeiter kein unterschiedliches Verständnis der Unternehmenskultur haben?
Lösungsansatz 1: Etabliere eine Remote-First-Kultur
Wie können wir das Büro neu denken, um die Kultur auf neue, bessere Weise zu stärken? Noch wichtiger: Wie stellen wir eine gleichmäßige Verteilung der Kultur zwischen den Mitarbeitenden im Büro und denen, die remote arbeiten, sicher?
Die erste Hürde besteht darin, anzuerkennen, dass Kultur nicht mehr auf die gleiche Weise hergestellt werden kann, wie in einem bürozentrierten Modell.
Um diesen Herausforderungen zu begegnen, können Unternehmen neue und stärkere Signale senden, indem sie mehr Berührungspunkte einrichten. Das heißt, häufiger auf Mitarbeitende zuzugehen und den Zweck und die Bedeutung ihrer Aufgaben explizit zu machen. Eine Organisation, die beispielsweise eine agile, innovative Kultur stärken möchte, kann regelmäßige Veranstaltungen veranstalten, die zu kreativem Engagement anregen, wie z. B. Impro-Aktivitäten, und Tools für die Zusammenarbeit präsentieren, die Brainstorming und Skizzieren ermöglichen.
Zum Beispiel können asynchrone, videobasierte Updates besser funktionieren als pure vor-Ort-Events: 20-minütige Updates, mit Führungskräften, die sich von zu Hause aus einwählen (mit dem gelegentlichen Kind, das auf einen Schoß kriecht), kombiniert mit mehr Townhall-Stil "Frag mich alles" -Sitzungen, die online durchgeführt werden. Mittels Give Aways und gebrandeten Büromaterialien kann man außerdem auch im Home Office ein Zugehörigkeitsgefühl zum Unternehmen schaffen.
Eine Remote-First-Kultur zu haben bedeutet auch, eine Kultur des Vertrauens zu haben. Stell dir vor, du arbeitest und es gibt eine Software auf deinem Computer, von der du nicht weißt, dass sie jeden deiner Mausklicks ausspioniert und ab und zu ein Foto macht. Klingt beängstigend? Einige Unternehmen verwenden diese Programme wirklich. Oft fragen mich Führungskräfte: "Woher weiß ich, dass mein Team arbeitet?". In einer hybriden Welt ist das die falsche Frage. Die Frage sollte lauten: "Woher weiß ich, dass mein Team gearbeitet hat?" oder "Woher weiß ich, dass die Arbeit nicht gemacht wurde?". Natürlich brauchen Führungskrafte Produktivitätskennzahlen, die Leistung messbar machen. Aber eben genau wenn diese nicht erreicht werden, dann gilt es genauer hinzuschauen. Hybrides Arbeiten und Remote Leadership benötigt zunächst den Vertrauensvorschuss und nicht das vorauseilende Misstrauensvotum.
Aber bei allem "Remote First Culture"-Denken sind Aktivitäten und Versammlungen vor Ort wichtig. Unternehmen sollten es vermeiden, ihre Kultur zu verwässern, indem sie sich ausschließlich auf asynchrone Kommunikation verlassen. Selbst vollständig remote arbeitende Unternehmen wie GitLab und Automattic nutzen episodisch persönliche Treffen, um die Bindung zwischen den Mitarbeiter*innen wiederherzustellen und neue Mitglieder zu integrieren.
Organisationen werden zweifellos eine Mischung von Praktiken benötigen, die ein effizientes, integratives Engagement ermöglichen und gleichzeitig Aspekte synchroner und persönlicher Aktivitäten bewahren, die die Kultur stärken.
Lösungsansatz 2: Hybridität ist für alle!
Remote und Hybride Arbeit sind für alle da. Es kann für jede Rolle und jede Ebene der Hierarchie funktionieren, solange es die unterstützenden organisatorischen Prozesse und die Kultur gibt, die diese unterstützen.
Eine gute Kultur ist eine, die inklusiv ist und nicht bestimmte Teile ihrer Belegschaft benachteiligt. Es gibt Mitarbeiter*innen, die physisch an Gebäude und Räume gebunden sind, weil sie zum Beispiel in der Fertigung oder Produktion arbeiten. Aber sie können immer noch den Komfort von Home-Office von Zeit zu Zeit erleben. Gibt es bestimmte Aktivitäten, wie zum Beispiel Dokumentation, die verschiedene Personen von Zeit zu Zeit zu Hause erledigen können? Wenn nicht, geben sie diesen Mitarbeitenden „Fernlerntage“. Das heißt, geben Sie den Menschen 10, 15 Remote-Tage im Jahr frei, damit sie dies nutzen können, um zu lernen und sich weiterzubilden und auch die Flexibilität zu erleben, die alle anderen erleben. Denn Hybridität ist für alle da und eine hybride Kultur sollte von jedem erlebt werden.
Lösungsansatz 3: Frage, ob die Arbeit gemacht wurde, nicht ob gearbeitet wurde!
Manche misstrauische Führungskräfte hinterfragen, ob und wie viel ihre Mitarbeitenden im Home-Office arbeiten. Sitzt mein Marketing-Beauftragter wirklich zu den geforderten Zeiten vor dem Laptop? Arbeitet die Software-Ingenieurin tatsächlich volle acht Stunden am Tag?
In jeder Organisationskultur - aber vor allem in hybriden und remote Modellen, in denen Führungskräfte Mitarbeitende nicht tagtäglich bei der Arbeit sehen können - ist entscheidend, dass am Ende des Tages die Arbeit gemacht wurde. Wie genau Mitarbeitende ihren Tagesablauf gestalten sollte zweitrangig sein, solange das Ergebnis stimmt.
Diese Herangehensweise soll aber nicht in ein fanatisches Performance-Measuring ausarten. Natürlich sollten Führungskräfte nicht nur das Ergebnis im Blick haben, sondern auch den Effort wertschätzen, den Mitarbeitende in ihre Arbeit stecken. Wie wir alle wissen, wird nicht jede Deadline erreicht, und nicht jede Arbeitswoche ist gleich produktiv.