Brechen Sie aus Ihren Wahrnehmungsverzerrungen aus, um schwierige Gespräche erfolgreich zu führen!

Wir müssen besser denken, um besser zu kommunzieren. Und um besser denken zu können, müssen wir besser wahrnehmen bzw. uns nicht so häufig von unseren Wahrnehmungsverzerrungen die Sicht vernebeln lassen. Darum soll es in diesem Beitrag gehen. Denn gerade bei schwierigen Gesprächen gehen wir diesen Verzerrungen (sogenannten bias) besonders gerne auf dem Leim und präsentieren häufig eine Sichtweise, die der Gesprächspartner so gar nicht nachvollziehen kann. Doch was sind eigentlich schwierige Gespräche? Und welche Wahrnehmungsverzerrungen sind dort besonders aktiv?

Was sind schwierige Gespräche?

Schwierige Gespräche beinhalten aus meiner Sicht drei Elemente die gemeinsam oder einzeln auftreten können und hier mit Beispielen unterfüttert werden:

Sachkomponenten: In der Sache sind Sie sich uneinig. Sie haben unterschiedlichen Sichtweisen auf ein Thema (z.B. das Thema Klimawandel), unterschiedliche Vorstellung über eine Vorgehensweise oder eine Lösung (bspw. in der Abwicklung eines IT-Projektes) oder wie Entscheidungen zu treffen sind. Das Gespräch wird hier häufig schwierig, weil es sich im Kreis drehen kann oder jeder auf seiner Meinung beharrt und Sie nicht weiterkommen.

Emotionskomponente: Sie oder ihr Gesprächspartner werden emotional oder das Thema ist emotional aufgeladen. Im Dialog brechen sich diese Gefühle dann oftmals unkontrollierter Bahn. Sie werden laut, Ihnen kommen die Tränen oder Ihnen fällt es einfach unglaublich schwer über ein Thema zu sprechen, weil Sie sich vielleicht verletzlich zeigen müssen. Schwierige kann es werden, wenn einer der Gesprächspartner diese Emotionen nicht konstruktiv mitteilen oder nutzen kann oder Beide nicht gut auf die Emotionalität des Anderen reagieren können.

Verhaltenskomponente: Sie sind mit einer Verhaltensweise ihres Gegenübers nicht einverstanden oder auf der Verhaltensebene kam es bereits zu Konsequenzen durch eigene Handlungen und Fehler, die nun einer Entschuldigung bedürfen. Schwierige wird es hier, wenn die Gesprächspartner Verhaltenswünsche nicht annehmbar formulieren und widerstandsfrei kommunizieren können oder wenn Entschuldigungen hohl und unauthentisch erfolgen.

In schwierigen Gesprächen können also sowohl sachliche Standpunkte, Emotionen oder Verhaltensweisen besprochen werden oder geballt auftreten. Und das macht sie häufig komplex und anspruchsvoll.

Die häufigsten Wahrnemungsverzerrungen bei schwierigen Gesprächen – Wie wir die Welt sehen und wie die Welt ist, sind zwei unterschiedliche Dinge.

Es tut mir leid. Aber sie kennen die Wahrheit nicht. Keiner tut das. Jeder hat nur seine ganz individuelle Wahrheit. Dies hat damit zu tun, dass wir die Welt nie so wahrnehmen wie sie ist, sondern immer nur durch unsere ganz individuellen Wahrnehmungsfilter. So beeinflusst bspw. unsere derzeitige Stimmung, der Kontext oder so einfache Dinge wie Hunger unsere Wahrnehmung.

Stellen Sie sich vor ihr Kollege bringt Ihnen ein Eis mit und übergibt es Ihnen vor anderen Kollegen. Sie sind gut gelaunt und hatten sowieso gerade Lust auf etwas Süßes. Sie werden sich sehr wahrscheinlich darüber freuen, bedanken und vielleicht zu den Kollegen stellen, um das Eis gemeinschaftlich zu genießen.

Ändern wir nun etwas die Wahrnehmungsparameter: Ihr Kollege bringt Ihnen ein Eis mit, d.h. die Situation an sich bleibt gleich. Sie sind derzeit auf Diät, weswegen Süßes verboten ist, auch wenn Sie richtigen Heißhunger danach haben. Sie denken vielleicht, dass er Ihnen das Eis nun vor den anderen Kollegen gibt, obwohl er von Ihrer Diät weiß, sei eine absolute Frechheit und er wolle den anderen wohl zeigen, dass Sie ihre Diät nicht ernst nehmen. Dieselbe Situation – unterschiedliche Wahrnehmung.

Neben diesen generellen Einflussfaktoren wie Grundbedürfnisse, Kultur oder Kontext gibt es allerdings auch ganz spezifische Wahrnehmungsfilter, die uns besonders bei schwierigen Gespräche behindern:

Der fundamentale Attributionsfehler beschreibt eine Neigung von uns Menschen, die Sie bestimmt schon einmal bei sich selbst festgestellt haben. Wenn der Kollege etwas verbockt hat, dann ist er unfähig. Wenn der Chef im Meeting die Fassung verliert ist er ein notorischer Choleriker und wenn unser Partner nach einem stressigen Tag wenig sagen möchte, wird er schnell zum Eigenbrötler. Wir attribuieren, also wir suchen Gründe für ein beobachtetes Verhalten zu oft in (feststehenden) „Charaktereigenschaften“ der handelnden Person und zu selten in den (variablen) Merkmalen der jeweiligen Situation zu suchen. Es könnte genauso gut sein, dass das Projekt des Kollegen schon von Anfang an zum Scheitern verurteilt war, der Chef an diesem Tag Zahnschmerzen hatte und deswegen generell gereizter war als sonst und dass unser Partner eben einen schlechten Tag hatte und deswegen nicht reden möchte. Zu häufig suchen wir in der Person nach Gründen, statt in der Situation. Das Spannende ist: Geht es um uns selbst, ist es genau andersherum. Da wissen wir sehr häufig welche Umstände im Außen zum Verhalten geführt haben und dass wir doch gar nicht so viel dafürkönnen bzw. das ja nicht nur unsere Schuld war.
Der Confirmation Bias, auch Bestätigungsfehler genannt, beschreibt unsere Neigung, Informationen so auszuwählen und zu interpretieren, dass sie die eigenen Erwartungen und Einstellungen erfüllen. Gemäß Pipi Langstrumpf machen wir uns die Welt, wie sie uns gefällt bzw. wie sie in unser Weltbild passt. Ich bin leidenschaftlicher Fan der Münchner Löwen. Mein Bruder hingegen Fan des FC Bayern München. Als wir uns gemeinsam ein Derby anschauten (ja das ist lange her, ich weiß!) konnten man diesen Wahrnehmungsfehler sehr gut sehen. Während ich ein Foul sah und einen Elfmeter einforderte, schrei mein Bruder „Ball gespielt“. Während er von einem grandiosen Spielzug sprach aus dem ein Tor resultierte, kritisierte ich das „Bayern Dussel“. Dasselbe Spiel – unterschiedliche Wahrnehmung. Weil ich wollte, dass 1860 München gewinnt und ich diesen Verein einfach toll finde, nahm ich auch alles genauso wahr, dass es zu einem guten Spiel und meinem positiven Bild dieses Vereines passte. Ähnlich verhält es sich bei schwierigen Gesprächen: Haben wir uns einmal festgelegt, dass der Kollege niedere Motive hat und uns nichts Gutes will, dann nehmen wir alles verstärkt wahr, was diese These stützt und blenden unbewusst die Dinge aus oder bewerten sie um, die dieses Bild nicht stützen. Jetzt erkennen Sie vielleicht, warum Fake News nur für die eine Seite wie Fake News aussehen.
In engem Zusammenhang mit dem Bestätigungsfehler steht der Recall Bias, also eine Erinnerungsverzerrung. Dieser Wahrnehmungsfehler beschreibt, dass wir uns häufig nicht mehr korrekt an Begebenheiten erinnern oder Begebenheiten im Nachhinein mehr oder weniger Bedeutung als ursprünglich zumessen. Das hat auch mit unserem Gedächtnis zu tun, dass im Sinne der psychischen Gesundheit selektiv vergisst oder nur selektiv erinnert. Über die Zeit nimmt dieser Fehler zu. D.h. hatten wir einen Streit mit einem Kollegen, wird die Geschichte umso mehr von der Realität abweichen, je länger der Streit zurück liegt. Sie erinnern sich vielleicht nur noch an den abschätzigen Kommentar des Kollegen, der den Streit eingeleitet hat. Aber nicht mehr an die ehrliche Wertschätzung ihrer Arbeit am Anfang des Gesprächs.Verbunden mit den Bestätigungsfehler und unserem Bestreben ein positives Selbstbild von uns zu erhalten, ist es nicht unwahrscheinlich, dass das Bild immer mehr schwarz-weiß wird. Hier wir die Guten, dort die schlechten. So einfach ist die Welt nicht, aber manchmal unser Denken.
Als letzten essentiellen Wahrnehmungsfehler bei schwierigen Gesprächen sei hier noch der Halo-Effekt aufgeführt. Dieser Effekt beschreibt die Tendenz, von bekannten Eigenschaften einer Person auf unbekannte Eigenschaften zu schließen. Also wenn wir feststellen jemand ist unordentlich, dann schlussfolgern wir schnell, dass er bestimmt auch faul, wenig hilfsbereit und unzuverlässig sei. Ist er hingegen höflich, dann ist er bestimmt auch hilfsbereit, zuvorkommend und ein guter Zuhörer. Es wäre schön, wenn das alles so zusammenhängen würde, tut es aber nicht. Gerade Recruiter, mit denen ich mal einen Workshop zur Optimierung der Fragenqualität durchgeführt habe, können davon ein Lied singen. Sie müssen letztlich jede weitere Eigenschaft explizit abfragen, um nicht dem Halo-Effekt zu unterliegen. Gerade in schwierigen Gesprächen ist das gefährlich, da wir so die meist schon negative Einstellung weiter generalisieren und den Gegenüber schließlich ganzheitlich negativ bewerten.

Was hilft nun gehen diese Wahrnehmungsfehler. Letztlicht nur eines: Sich diesen immer wieder bewusstwerden und die eigene Sichtweise kritisch hinterfragen. Umschaltfragen wie „Wie könnte ich anders darüber denken“ oder “Welche guten Gründe kann es für dieses Verhalten geben?“ können hier wahre Wunder wirken. Viel Spaß beim Ausprobieren.

 

Sebastian Pflügler ist Berater & Speaker aus München. Er ist Experte für New Work Skills. Mit seinem innovativen und praxiserprobten Konzept New Era Communication hilft er Unternehmen und Menschen dabei, schwierige Gespräche mit Kollegen, Mitarbeitern, Kunden oder dem Chef gewinnbringend zu führen.