Wie Studien der Forscher der University of California belegen, haben Mitarbeitende im Homeoffice ein deutlich höheres Risiko, an Burnout zu erkranken als jene, die hauptsächlich im Büro arbeiten.

Die Forscher gehen davon aus, dass Mitarbeitende im Homeoffice familiäre Verpflichtungen und private Treffen eher vernachlässigen und Überstunden leisten, um ihr Engagement zu beweisen. 

Arbeiten Ihre Mitarbeitende in einer anderen Zeitzone, ist dieser Effekt noch ausgeprägter. 

Eine Studie der Harvard Universität und der Universität New York hat zusätzlich gezeigt, dass sich der durchschnittliche Arbeitstag seit Corona um rund 50 Minuten verlängert hat und noch mehr Meetings mit noch mehr Teilnehmern stattfinden. 

Längere Arbeitszeiten, mehr Meetings, das laugt aus.

Vertrauen ist der Grundstein für eine offene Kommunikationskultur

Vertrauen

Deshalb sollte die Gesundheit Ihrer Mitarbeitenden für Sie als Future Fit Leader ein zentraler Fokus sein. Hier ist es wichtig, dass Sie eine Vertrauensbasis zu Ihren Mitarbeitenden haben. Fällt Ihnen nämlich auf, dass Ihr Mitarbeitender von mal zu mal schlechter aussieht, führen Sie solch ein Gespräch leichter und effektiver, wenn eine gewisse Beziehungstiefe vorhanden ist. 

Um der Gesundheit Ihrer Mitarbeitenden willen sollten Sie daher in eine vertrauensvolle Beziehung investieren. 

Doch gerade bei dieser Art von Kommunikation gilt es einiges zu beachten, um die Situation im schlimmsten Fall nicht noch zu verschlechtern. 

Leitfaden: Wie man heikle Themen anspricht

Von der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V. wurde hierfür ein Leitfaden erstellt, wie Sie mit psychisch beanspruchten Mitarbeitern umgehen können, den ich mit eigenen Praxiserfahrungen untermauert, ausführlicher vorstelle.

Seien Sie sich Ihrer Rolle bewusst

Führungskraft

Zunächst sollten Sie Ihr eigenes Rollenverständnis klar identifiziert haben. Sie sind kein Therapeut, kein Seelsorger und auch nicht der beste Freund. Sie sind Führungskraft und möchten die Gesundheit Ihrer Mitarbeitenden erhalten. Einerseits hoffentlich aus menschlicher Sicht, aber letztlich natürlich auch aus unternehmerischer Sicht. Das bedeutet, die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft jedes einzelnen Teammitglieds sicherzustellen. Es bedeutet aber auch, die Selbstverantwortung beim Mitarbeitenden zu belassen. Ihre Fürsorge soll den Mitarbeitenden lediglich dabei unterstützen, die beruflichen Belastungen zu reduzieren oder zu lernen, besser mit ihnen umzugehen. Ihrem Mitarbeitenden die Belastung abzunehmen ist NICHT Ihre Aufgabe! 

Ist Ihnen diese Rolle nicht bewusst, senden Sie dem betroffenen Mitarbeitenden unklare Signale oder verfehlen im schlimmsten Fall sogar Ihr Ziel. Schließlich gilt wie bei jedem Gespräch: Auch dieses Gespräch kann scheitern. 

Sollte das der Fall sein, hilft es, interne und externe Fachkräfte in den Entwicklungsprozess miteinzubeziehen. 

Haben Sie Geduld

Geduld

Wie Sie vielleicht aus meinem ersten Buch wissen, ist Kommunikation ein Prozess, besonders bei tabubesetzten Themen wie psychischen oder emotionalen Belastungen. Seien Sie sich also darüber bewusst, dass Sie mehrere Gespräche führen werden und setzen Sie daher Ihr Ziel für das erste Gespräch realistisch. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass der Mitarbeitende die Sichtweise bereits beim ersten Gespräch in Gänze teilen und sich emotional komplett öffnen wird. Abwehr, Leugnung oder vorsichtige Bestätigung sind eher der Fall. Versuchen Sie auf keinen Fall, den Mitarbeitenden von Ihrer Sichtweise zu überzeugen. Zeigen Sie einerseits deutlich Ihre Sichtweise der beruflichen Realität und des jeweiligen Problems auf, zollen Sie andererseits aber auch der Sichtweise des Mitarbeiters Respekt und enden Sie wohlwollend, indem Sie Ihre Sorge und die Notwendigkeit einer Veränderung nochmal verdeutlichen. 

Da ich Ihnen helfen möchte, derart wichtige Gespräche gut zu führen, folgt ein exemplarischer Ablauf. Die Zeiten habe ich Ihnen deswegen dazugeschrieben, da es durchaus hilfreich sein kann, diese auch an den Mitarbeitenden zu kommunizieren. Dadurch können Sie gezielt von einer Gesprächsphase in die andere leiten, falls der Mitarbeitende sich beispielsweise zu sehr in dem Problem verliert.

Gesprächseröffnung (5 Minuten): 

Erklären Sie, was der Anlass des Gesprächs ist (z.B. Auffälligkeiten in der Leistung, im Sozialverhalten oder beim persönlichen Auftreten). Benennen Sie dabei konkret, was Sie beobachtet haben. Erläutern Sie auch das Ziel des Gesprächs, das auch von Ihrem Mitarbeitenden als positiv empfunden werden sollte (wie zum Beispiel die Wiederherstellung des vorherigen Leistungslevels oder auch die Verbesserung der Einbindung ins Team). Die Haltung sollte ganz klar sein: Ich fühle mit Dir. Ich möchte verstehen, wie sich Deine Lebenswelt gerade gestaltet. Ich bin da, damit wir gemeinsam für Dich tragfähige Lösungen finden. 

Gespräch

Denken Sie an das Zitat von Theodore Roosevelt: »Nobody cares how much you know, until they know how much you care.« 

Achten Sie zudem natürlich darauf, dass das Setting (genug Zeit, separater Raum, keine Störquellen) passend ist.

Anlass- und Ursachenanalyse (20 bis 25 Minuten): 

Hier sollte vor allem der Mitarbeitende reden. 

Fragen Sie nach, wie er/sie den Anlass sieht, welche Ursachen er/sie identifiziert, was er/sie bereits als Lösung versucht hat und mit welchem Erfolg? 

Bei nützlichen Lösungsversuchen sollten Sie ihn/sie bekräftigen, um die Eigenverantwortung des Mitarbeitenden zu stärken. Hören Sie aufmerksam zu und fassen Sie immer wieder zusammen, um sicherzugehen, dass Sie den Mitarbeitenden richtig verstehen. Für meine Haltung hilft mir in thematisch ähnlichen Coachings immer der Satz des Gestalttherapeuten Werner Bock: »Was ist, darf sein. Was sein darf, verändert sich.« 

Geben Sie also keinesfalls ungefragt Ratschläge oder beschleunigen Sie den Prozess zur Lösung. Wenn sich Menschen öffnen, wollen Sie in diesem Schmerz gesehen werden. Und Gefühle wollen gefühlt werden. Geben Sie dem genug Raum. Beherzigen Sie auch: Mitfühlen ja, mitleiden nein. Seien Sie empathisch beim Gegenüber, aber fühlen Sie nicht im selben Maße die Gefühle des Anderen. Häufig stört das sogar eher den Prozess. Sie sind da, um energetisch den Raum zu halten und die Kommunikation zu führen, nicht um mitzuleiden.

Entwickeln von Zielen und Lösungswegen (10 bis 20 Minuten): 

In diesem Abschnitt geht es darum, Ziele und Lösungen herauszuarbeiten, die dem Mitarbeitenden in seiner derzeitigen Situation helfen könnten. Da Sie sich bereits länger mit der Situation des Mitarbeitenden beschäftigt haben, haben Sie zu diesem Zeitpunkt bereits eigene Lösungsstrategien entwickelt. Überrollen Sie das Teammitglied jedoch nicht mit Ihren Ideen, sondern lassen Sie sie/ihn zunächst eigene entwickeln. Auch das stärkt die Eigenverantwortung. 

Bei der Lösungsfindung gibt es zwei Bereiche zu unterscheiden: Einerseits Verhaltens- und Verhältnisoptimierung. Was kann der Mitarbeitende an seinem Verhalten ändern, was kann aber auch an der Arbeitssituation verändert werden. Kann der Workload reduziert werden? Ist eine stärkere Einbindung ins Team hilfreich? Passen gewisse Arbeitsstrukturen und -settings nicht (zu viel Lärm im Großraumbüro)? Die Lösungswege sind mannigfaltig und häufig können schon kleine Veränderungen eine große Wirkung haben. 

Der zweite Bereich, den es zu unterscheiden gilt, ist jener zwischen beruflich und privat, denn natürlich entsteht Belastung und Stress nicht nur aus einem Bereich. Als Führungskraft sollten Sie sich auf den Kontext der Arbeit fokussieren, da dieser für Sie nachvollziehbar und beeinflussbar ist. Möchte der Mitarbeitende auch über private Belastungen sprechen – die Freiwilligkeit liegt absolut bei ihr/ihm – können Sie auch hier gemeinsam über Lösungen nachdenken.

Die Umsetzung dieser privaten Lösungsstrategien obliegt aber absolut dem Mitarbeitenden. 

Nachdem Sie verschiedene Lösungen besprochen haben, bewerten Sie diese nach ihrem Potenzial. Parameter können hier zum Beispiel Zeit, Kosten (nicht nur finanzielle!), Erfolgsaussichten oder grundsätzliche Neigungen sein. Betonen Sie immer wieder den spielerischen Charakter der neuen Lösungen. Der Mitarbeitende soll sich durch die neuen Lösungen nicht noch mehr unter Druck gesetzt fühlen oder einen Erfolgszwang verspüren.

Verbindlicher Verbleib und Gesprächsabschluss (5 Minuten): 

Legen Sie gemeinsam fest, wer was mit wem bis wann tut. Sollten die Lösungen eine gewisse Sonderbehandlung des Mitarbeitenden vor den Kollegen notwendig machen, dann besprechen Sie mit dem Mitarbeitenden, wie und von wem das an das Team kommuniziert werden soll. Vereinbaren Sie zuletzt einen weiteren Gesprächstermin, um zu evaluieren, wie die Lösungen gegriffen haben.

Das Ganze ist ein Prozess. Es kann also durchaus sein, dass sich der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin beim ersten Gespräch wenig bis gar nicht öffnet. Das macht überhaupt nichts, bleiben Sie einfach dran und vereinbaren Sie einen weiteren Termin oder greifen Sie das Thema regelmäßig in Einzelmeetings auf. Kommen Sie beim nächsten Gespräch zu dem Entschluss, dass sich die Dinge zum Besseren gewendet haben, dann endet hier der Kommunikations-, jedoch nie der Beobachtungsprozess. Waren die vereinbarten Lösungen wenig von Erfolg gekrönt, dann reflektieren Sie noch einmal die vereinbarten Ziele, denken Sie über Gründe für die Erreichung oder Nichterreichung nach und treffen Sie eine erneute Vereinbarung.

Es kann durchaus hilfreich sein, schon jetzt externe Dritte hinzuzuziehen.

Mich würde einmal interessieren ob Sie bereits mit dem Thema Überarbeitung und Burnout Ihrer Mitarbeitenden in Berührung gekommen sind und wie Sie damit umgegangen sind. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie Ihre Erfahrungen in den Kommentaren mit uns teilen würden. Vielleicht hilft es dem einen oder anderen in einer ähnlichen Situation.

Tiefergehende Informationen rund um das Thema finden Sie in meinem Buch Mitarbeiter führen in der digitalen Ära - Wie man digitale Effizienz und Menschlichkeit in Zeiten von Homeoffice und New Work verbindet

Benötigen Sie in Ihrer Position Unterstützung in Bezug auf Gespräche mit Mitarbeitenden, die eventuell überarbeitet sind, oder gar an Burnout leiden, schreiben Sie mir gerne unter: mail@sebastian-pfluegler.com

Sebastian Pflügler ist Experte für New Work Soft Skills. Der Kommunikationswissenschaftler (M.A.) und Wirtschaftspsychologe (M.A.) unterstützt Profit- und Non-Profit Organisationen dabei den Anforderungen der neuen Arbeitswelt gewachsen zu sein. Sei es durch eine neue Art der Kommunikation (New Era Communication), eine neue Art der Führung (New Work Leadership) oder durch eine gut ausgebildete Stressresistenz (Health @ Work).